Ich möchte eigentlich nicht wieder über’s Wetter schreiben. Die Fahrt von Boston nach Portland, entlang der Atlantik-Küste führt vorbei an malerischen Hafenstädtchen, auf von mehr und mehr gelb und rot gefärbten Bäumen umsäumten Straßen. Auch im Regen tut sie das – die Fahrt. Auf eine andere Art malerisch als bei Sonnenschein. In Marblehead, Massachusetts begegnet sich an diesem Tage im lokalen Starbucks eine interessante Mischung verschiedener Menschen. Quasi Morgens halb 10 in Neu-England sitzt ein knapp zehn Männer starker Trupp sich angeregt unterhaltender Rentner am großen Tisch in der Mitte des Ladens. Als sich gerade eine kleine Gruppe mit schwarzen Regenjacken bekleideter deutscher Reisender am zweiten größeren Tisch niederläßt, treten vier jüngere Frauen ein. Eine von ihnen wird von einem der Renter herzlich begrüßt – er stellt sie seinen Freunden stolz als eine Tochter vor. Die anderen drei Frauen stellen sich am Bedientresen an, laut und ungezwungen lachend, sich über irgendeine Sache unterhaltend. Eine von ihnen wird von einem ca. 3 Jahre alten Kind begleitet. Es ist nicht genau zu erkennen, ob das ihr eigenes Kind ist, oder ob sie die Tagesbetreuung übernommen hat. An dem Tisch, an dem die Reisenden Platz genommen haben, sitzt die Filialleiterin mit einem jungen Angestellten. Um sie herum Kafeebecher verschiedener Größen, Starbucks-Prospekte und Blätter mit Tabellen und Illustrationen. Der Angestellt scheint einer Art Prüfung unterzogen zu werden. „How many shots are a whatever…“, „Three shots“, „That’s right“. Die beiden gehen hinter den Tresen um irgendwas praktisches durchzuspielen. Mir geht durch den Kopf, wo sich die Leute, die sich hier in einer Kleinstadt im Starbucks zu diesem Zeitpunkt zusammengefunden haben getroffen hätten, wenn es den Starbucks nicht gäbe. Vielleicht im stylischen „Java Sun Coffee Roasters“ die Straße runter oder im Diner der hier vor 10 Jahren gestanden haben mag oder im Gemeindehaus? Wären sie alle wirklich an einem verregneten Vormittag auf genau die gleiche Weise zusammengekommen, hätten (guten) Kaffee getrunken und Platz zum sitzen und reden gefunden? Als die deutschen Reisenden weiterziehen wollen, entspinnt sich auf dem Weg zum Ausgang ein Gespräch mit den Rentnern am vorderen Tisch. Sie wundern sich über die vielen großen Kameras, die sie auf dem Tisch liegen sahen. Sie stellen Fragen über die Reiseroute und freuen sich, dass die Fremden in ihre Gegend gekommen sind, um die bunten Blätter an den Bäumen zu fotografieren. Im hinteren Raum des Ladens hört man die jungen Frauen mit dem Kind noch immer lachen. Der Starbucks-Mitarbeiter scheint seine Prüfung zu bestehen. Eine Angestellte der Bank auf der anderen Straßenseite kommt in den Laden und wundert sich über den Stau, den die Reisenden am Tisch der Renter verursachen. Und dann gehen alle auseinander und ihrer Wege und draußen schlägt der Herbstregen Blasen in der großen Pfütze auf dem Parkplatz.
P.S. Dieser Beitrag wurde nicht durch Produkt-Platzierungen unterstützt.
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