In einer fremden Stadt für nur einen Abend einen guten Club mit einem guten Musikprogramm zu finden hat immer was von Lotterie. Das große Los hast Du gezogen, wenn Du vor der Anreise (im Netz) ein tolles Konzert nach Deinem persönlichen Geschmack in einem Klub nach Deinem persönlichen Geschmack findest und sicher stellen kannst, dass Du am betreffenden Abend auch ein Ticket bekommst. Noch einfacher ist es natürlich, wenn Du in der Stadt jemanden kennst, der weiß was Du magst. Ich hatte auf dieser Reise (bisher) das nötige Glück, um jeden Abend einen guten Anlaufpunkt zu finden. Nicht das große Los, wie ein Konzert von zB. Black Francis, der eine Woche zu früh in der Gegend war.
In Nashville habe ich mir vor der Reise im Netz ein eher untypisches Event ausgesucht. Ich war also nicht in einer Country Institution um mich von einem zufälligen Auftritt überraschen zu lassen, sondern in der Mercy Lounge bei der „Billy Block Show“. Billy Block ist ein Musiker, der seit 17 Jahren einmal in der Woche eine Show mit verschiedenen, meist unbekannten Musikern auf die Beine stellt und diese Show in einem lokalen TV-Kanal und im Internet zeigt. Man zahlt 5 Dollar Eintritt und kann sich überraschen lassen – jeden Dienstag ab 18 Uhr.
Wenn ich in einen Club gehe um mir bis dahin unbekannte Musiker zu sehen, stelle ich mich immer auf … nichts konkretes ein – ich lass mich überraschen, komme da was da wolle. Solange die Bands nicht totaler Mist sind, kann ich aus fast jedem Auftritt etwas positives mitnehmen. Dabei ist „totaler Mist“ natürlich schwer zu definieren. Bei einem Event wie diesem kann man eigentlich davon ausgehen, dass alle, die auf der Bühne stehen, geradeaus spielen können und stilistisch nicht total uninspiriert sein sollten. So war es dann auch.
Als ich ankam (der Klub liegt ein wenig abseits von Nashvilles Downtown und ich bin die zwei Meilen vom Hotel zu Fuß gegangen) war Lizzy Snider gerade mit Ihrem Auftritt fertig. Lizzy Snider wurde von der Hausband, „Lucky 13“ begleitet – mit Billy Block an den Drums. Die letzten anderthalb Songs waren zu wenig um etwas über das junge Talent sagen zu können – das Publikum war jedenfalls freundlich begeistert. Von sieben bis acht spielte „Lucky 13“ mit Gästen. Die Band besteht aus Profi- und Amateurmusikern und das Repertoire aus einer soliden Mischung von Songs „aus der Gegend“. Country, R&B, Cajun. Der Typ am Bass ist Toningenieur und hat neulich an der Produktion einer Grammy-prämierten Platte mitgewirkt, Der Pianist muss nachher noch einen anderen Gig spielen und der Typ an Violine und Steelguitar hat sich für heute als Gast dazu gesellt und gibt den Frontman für den Abend. Dieser Band zuzusehen war, wie bei einem Abend bei guten Kumpels eingeladen zu sein und sich deren intime Geschichten und running gags anzuhören. Dabei gab es keine musikalischen Plattitüden oder abgenudelte Standards. Jedem Song hat die Band, so wie sie sich heute Abend zusammengefunden hat, seinen eigenen Charakter verliehen und es war ein Vergnügen dabei zu sein. Mir ging dabei durch den Kopf, dass es ein echter Segen sein muss, als Musiker in einer Gegend wie dieser zu leben. Der Reichtum an Stilen und Einflüssen scheint unerschöpflich.
The Darlins sind zwei Frauen, die an diesem Abend von einem Drummer und einem Gitarristen begleitet wurden. Billy Block stellte sie mit einer Geschichte über eine der beiden Musikerinnen vor, die er offenbar aus Zeiten kennt, als sie mit ihrer Karriere begonnen hat. Während ihrer ersten Songs wirkten die Darlins irgendwie verkrampft – viele Extra Lacher und Stampfer – die Songs hatten etwas viel Lautheit und Rhythmus für – was sie eigentlich waren Country. Spannend wurde es ab dem vierten Stück, das eher raffiniert arrangiert war und dann auch nicht mehr so angestrengt ‚rüber kam.
Die Billy Block Show arbeitet mit verschiedenen lokalen Firmen und mit der SOCAN, dem kanadischen Komponisten-Verband zusammen. An diesem Abend war der SOCAN Artist of the Month zu Gast: die James Caron Band aus Toronto. Kurz beschrieben: ein Typ, seine Freundin, deren Bruder und zwei andere Typen als Band. James kann offenbar gute Songs schreiben (falls er die schreibt) und hat eine, ich würde mal sagen, naive Bühnenpräsenz. Mir hat es viel Spaß gemacht, ihm dabei zu zusehen. Die Musik war nicht so sehr Nashville like – mehr ein einfacher, leicht poppiger Rockstil, modern und mit viel Freude an kreativen Arrangements.
Ich habe mich nach der Band wieder auf den Weg ins Hotel gemacht. Der Jet-Lag hat meine Kondition zu sehr in Mitleidenschaft gezogen. Ich würde mal sagen, dass für den Fall, dass man einen Dienstagabend in Nashville verbringen will oder muss, die Billy Block Show eine gute Anlaufstelle für das Unterhaltungsprogramm sein kann – wenn nicht zufällig in einem der anderen Clubs Merle Haggard oder ein anderer lebender Superstar der Szene auftritt.
Leave a reply